Mittwoch, 17. September 2014

Begegnung



Greta, Lilli und ich gingen gerade zum Spielplatz, als uns eine Mutter mit einem Kind in einem Rollstuhl begegnete. Das Kind war behindert und vielleicht ein Jahr jünger als Greta. Während ich Lilli im Kinderwagen vor mir herschob, überlegte ich, wie ich die Mutter des Kindes wohl anlächeln könnte, ohne ihr das Gefühl zu geben, ich hätte irgendwie Mitleid mit ihr. Trotzdem wollte ich ihr signalisieren, dass mir klar ist, dass auch mein Kind im Rollstuhl sein könnte und dass ich mir vorstellen kann, dass ihr Leben gerade nicht so einfach ist. Also doch irgendeine Form von Mitgefühl, aber ohne das Überlegene dabei.

Also während ich noch überlegte, ob es so etwas überhaupt gibt, Mitgefühl ohne dieses blöde Überlegene dabei, reines Mitfühlen eben, einfach ein Versuch sich in den anderen ein bisschen hineinzuversetzen, ohne dass das natürlich jemals möglich ist,....

Während ich all dies in meinem Kopf hatte, und der Frau sehr lieb zulächelte, riss sich Greta von meiner Hand los, rannte zu dem kleinen Mädchen im Rollstuhl und streichelte ihre Hand.

"Warum hast du das gemacht, Greta?", fragte ich sie kurz darauf.
 "Weil die lieb war", sagte Greta.



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Freitag, 5. September 2014

Greta und die Nachbarn



In unserer Straße ist eine Apotheke. Wir sind häufig in der Apotheke. Seit wir kleine Kinder haben, ist bei uns oft jemand krank. Greta liebt die Apotheke, denn es gibt dort Gummibärchen, die sie sich aus einer Plastikkuh herausholen darf. Plastikkuh ist gut, Gummibärchen sind super. Die Apothekerinnen sind auch nett, vielleicht, weil wir so oft da sind.

Eines Tages trafen wir eine der Apothekerinnen beim Bäcker. Sie stand in der Schlange vor uns. Greta und ich wollten Brot kaufen.
Plötzlich wurde Greta ganz unruhig und zupfte an meinem Pullover. Und als die Apothekerin die Bäckerei gerade verlassen wollte, rief Greta: "Warum bist du nicht in der Apotheke?!"
Die Apothekerin ging in die Knie, verkniff sich das Lachen und erklärte meiner Tochter geduldig, dass auch Apothekerinnen mal Hunger haben.

Gummibärchen bekommt Greta nicht nur in der Apotheke, sondern auch von ihrer Freundin, der Schneiderin. Wenn die Schneiderei geöffnet ist, und wir kommen gerade vorbei, geht Greta hinein und stattet ihrer Freundin einen Besuch ab. Das ist unter der Woche etwa täglich. Manchmal aber auch zweimal am Tag. Bisweilen dreimal.


"Was machst du heute, Greta?", fragt die Schneiderin dann immer.
"Heute gehen wir zum Spielplatz", sagt Greta. "Der Papa bleibt zu Hause. Ich geh mit der Mama. Und Lilli kommt auch mit."
"Und was machst du heute?", fragt sie.
"Ich muss arbeiten", sagt die Schneiderin.
"Und wann gehst du nach Hause?"
"Um sechs Uhr."
"Schläfst du hier?"
"Nein, ich wohne woanders. Hier arbeite ich."
 "Und wo gehst du aufs Klo?"
"Ein Klo habe ich schon hier."
"Wo?"
"Da hinten, siehst du?"
 Greta ist  beruhigt.
 "Krieg ich ein Gummibärchen von dir?"
"Hier hast du, meine liebe Freundin", sagt die Schneiderin.
"Morgen komm ich wieder", sagt Greta.

Vor unserem Haus steht eine Blumenfrau. Greta sagte jeden Morgen vor dem Kindergarten "Guten Morgen" zu ihr und die Blumenfrau schien immer zu beschäftigt, um ihr zu antworten.
Irgendwann beschloss ich, die Blumenfrau auch nicht mehr zu grüßen. Greta aber baute sich eines Morgens vor dem Blumenstand auf und sagte:

"Das finde ich nicht gut von dir. Ich sage immer `Guten Morgen` zu dir und du sagst nie was zu mir."


Ich schämte mich ein bisschen, war aber gleichzeitig stolz auf meine Tochter. Und dann kam eine sehr überraschende Reaktion von der Blumenfrau.
"Da hast du recht", antwortete sie Greta ,"ich bin die Luise und ich sag jetzt immer `Guten Morgen` zu dir."
Seitdem grüßen sie sich, die Blumenfrau und Greta.
"Guten Morgen, Luise!", ruft Greta kaum, dass wir das Haus verlassen haben.
"Guten Morgen, Greta! Alles gut bei dir?", fragt dann die Blumenfrau.
"Alles gut bei mir. Aber gestern warst du nicht da, Luise, warst du krank?", fragt Greta.
"Nein, ich hab gestern mal Urlaub gemacht. Ich hab alles sauber gemacht zu Hause", antwortet Luise.
"Die Fenster auch?", will Greta wissen.
"Ja, auch die Fenster."

Seit ich Greta habe, kenne ich viel mehr Menschen als früher. Ich staune, wie meine Tochter auf die Menschen zugeht. Staune, wie einfach und klar sie Dinge anspricht. Und wie freundlich die Leute zu Greta sind. Wie ernst sie sie nehmen und wie viel Zeit sie sich nehmen, für eine Unterhaltung mit einem kleinen Kind.