Dienstag, 6. Mai 2014
Sonst noch was?
Sonst noch was? Schreibt Tobias Haberl am Freitag, den 25.04.14 im SZ Magazin. Er vertritt die These, heutige Eltern könnten auf nichts mehr verzichten.
Tobias Haberl hat selbst noch keine Kinder. Er ist 38 Jahre alt. Er will Kinder.
Er wird ganz schön blöd aus der Wäsche schauen, wenn er dann mal realisiert, auf was er dann alles so verzichtet, wenn die lieben Kleinen dann mal da sind.
Lieber Tobias Haberl, Kinder bedeuten mehr als Verzicht auf Blubberbläschen im Mineralwasser.
Kinder haben heißt:
Verzicht auf Schlaf: ein bis dreimal werde ich mindestens von meinen Kindern pro Nacht geweckt.
Verzicht auf Platz im Bett: Greta kommt fast jede Nacht zu uns, weil sie schlecht geträumt hat.
Verzicht auf Alkohol: In der Schwangerschaft, in der Stillzeit, danach, weil man sonst einfach den nächsten Tag nicht packt.
Verzicht auf Zeit für sich selbst: Kinder fordern einen rund um die Uhr, Zeit zum Lesen, Musik hören, träumen oder Sport treiben wird sehr knapp.
Verzicht auf schöne Kleidung: Es bleibt weder Zeit noch Geld zum Einkaufen.
Verzicht aufs Fernsehen: Tagsüber lässt man den Fernseher aus, damit die Kleinen nicht mitgucken und abends ist man oft einfach zu müde.
Verzicht aufs Weggehen: Babysitter gibt es, aber sie sind teuer und haben abends oft keine Zeit, weil sie selbst ganz gerne mal weggehen.
Verzicht auf Privatsphäre: Kinder verfolgen einen bis aufs Klo und wollen alles, wirklich alles von einem wissen.
Verzicht auf Zeit mit Freunden: Wenn man Kinder hat, hat man tagsüber wenig Zeit, Freunde zu treffen. Kinderlose Freunde will man mit den Bälgern nicht gerne nerven.
Verzicht auf den Job: Da geht es gar nicht um Karriere. Viele Mütter verlieren ihren Job, nachdem sie ein Kind bekommen haben. Vollzeitjobs können sie nicht mehr ausüben und in Teilzeit lassen sich viele Jobs nicht machen.
Verzicht auf Geld: Spielsachen, Kinderklamotten und Kinderkrippen sind unglaublich teuer. Bei uns in der Stadt kostet ein Krippenplatz 500 Euro.
Weiß Tobias Haberl das?
Kinder sind toll. Sie sind es wert, auf sehr vieles zu verzichten. Und ja, Herr Haberl, wir müssen unsere Ansprüche reduzieren.
Kriegen sie Kinder, Herr Haberl. Reduzieren Sie Ihre Ansprüche. Eins kann ich Ihnen sagen, das ist mehr als auf Blubberbläschen im Mineralwasser verzichten. Viel mehr!
Auf meinen Beruf möchte ich nicht verzichten, Herr Haberl. Weder auf die Anerkennung die ich dort bekomme, noch auf das Geld, das ich dort verdiene. Da geht es nicht um die "15 Quadratmeter größere Wohnung". Da geht es um einen Teil meines Lebens, den ich sehr mag. Da geht es um Gleichberechtigung von Frau und Mann, in der Familie (es ist nicht ganz unerheblich selbst einen Teil des Einkommens beizusteuern) und außerhalb der Familie. Ein Beruf bringt auch gesellschaftliche Anerkennung.
Und im Gegensatz zu Ihnen, verehrter Herr Haberl, bin ich der Meinung, dass die Politik bessere Bedingungen dafür schaffen muss, dass beides gleichzeitig möglich ist: Beruf und Familie.
Einen Beruf haben heißt noch nicht Karriere machen zu wollen. Das ist der entscheidende Punkt: Die meisten Frauen wollen eigentlich nur ihren Beruf ausüben und dennoch für ihre Kinder da sein.
Ihren Beruf ausüben, das heißt dem Beruf nachgehen, für den sie vor der Geburt ihrer Kinder auch auf vieles verzichtet haben.
Nicht nur Männer, auch Frauen hatten einmal ein Leben vor den Kindern.
Ein Leben, in dem sie beruflich mehr oder minder erfolgreich waren. Einen Beruf ausgeübt haben, für den sie Überstunden gemacht haben, aufs Wochenende verzichtet haben, nachts gearbeitet haben. Mit Babybauch gegen den Schreibtisch gedrückt gearbeitet haben.
Und dann, lieber Herr Haberl, passiert es leider sehr vielen diesen Frauen, dass sie nach der Geburt ihres Kindes plötzlich keine Stelle mehr haben, die sie realistisch ausfüllen können.
Im Gegensatz zu dem, was sie annehmen, wollen die meisten Frauen ihre Kinder nämlich nicht schnell in eine "Betreuungsstelle abschieben". Sie wollen eine sehr gute Halbtagskrippe, oder eine liebe Tagesmutter für ihr Kind. Sie wollen, dass ihr Kind ein paar Stunden unter anderen Kindern sein kann, wo es spielen und lernen darf, während sie selbst wieder ihrem Beruf nachgehen. Halbtags, wenn möglich.
Nein, Kinder und Karriere lassen sich wirklich kaum vereinbaren, da haben sie schon recht, Herr Haberl. Aber Kinder und Beruf, das ginge schon. Und da ist sehr wohl die Politik gefragt!
Da müsste es Regeln geben, die verhindern, dass Frauen, nachdem sie Kinder geboren haben, einfach rausgedrängt werden aus dem Arbeitsmarkt. Und auch was die Kinderbetreuung betrifft, könnten die Politiker bessere Bedingungen schaffen. 500 Euro für einen Krippenplatz sind zu viel.
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Jetzt muss ich aber mal schnell in unserem Zeitungsstapel nachsehen, ob die SZ noch da ist. Na der Artikel interessiert mich ja brennend!
AntwortenLöschenLiebe Mutter Rabe,
Löschenhier kannst du ihn auch lesen:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41844/Sonst-noch-was
Grüße, Ane