Mittwoch, 25. Juni 2014
Mmmmmmmmmmmmmmmmmh!
"No come ( = sie isst nicht)", sagte die Großmutter von Isabella. Für eine spanische Großmutter ist das eine Katastrophe. Isabella, zwei Jahre alt, saß gerade in ihrem Buggy und aß.
Kuchen! Zum Frühstück! Im Buggy!
Ihre Großmama deutete auf meine kleine Lilli und meinte "Schau mal, Isabella, so sollst du essen!"
Lilli aß gerade ein Stück Brezel. Zweites Frühstück.
Da musste ich lachen.
Lilli als Vorbild für gutes Essen?
Lilli isst Wurst und noch mehr Wurst. Ansonsten auch Fleisch, Hühnchen mag sie gerne (am liebsten Hähnchenkeule). Kuchen! Und sie liebt Vanilleeis. Ach ja, kalte Nudeln gehen auch, aber nur manchmal. Fisch! Besonders Fischstäbchen ohne Panade. Und Tomaten und Bananen. Butterkekse. Und manchmal Brezel.
Das wars dann aber auch schon.
Insgesamt scheint Lilli Trennkost zu bevorzugen. Sie mag es gar nicht, wenn man Beilagen und Fleisch mischt. Überhaupt nicht. Sie mag auch sehr vieles anderes nicht.
Alles, was Lilli nicht mag, wird sofort entsorgt.
Egal wie hungrig sie ist, was sie nicht mag, wirft Lilli in hohem Bogen auf den Boden. Und dabei schaut sie ziemlich erbost: "Wie könnt ihr mir so etwas nur auf meinen Teller legen? Seid ihr verrückt?", scheint sie dabei zu sagen.
Wenn man versucht, Lilli Joghurt oder Quark zu geben, verzieht sie ihr Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Dann spuckt sie alles schnell wieder aus. Was sie nicht davon abhält, nochmal zu probieren, nur um wieder das Gesicht zu verziehen und alles auszuspucken.
Lilli trinkt immer noch sehr gerne ihre Milch. So etwa fünf bis sieben Flaschen am Tag. Ein bis zwei davon bekommt sie nachts.
Lillis Kinderärztin sagt: " Lilli darf nicht so viele Flaschen trinken. Sie muss mehr feste Kost zu sich nehmen."
Ich lächele dann und sage: "Ach, Lilli wird das überleben."
Vor ein paar Monaten hatte Lillis Kinderärztin noch gesagt: "Lilli muss unbedingt mehr als ein Glas am Tag essen." Lilli trank sehr viel Milch und aß etwa ein halbes Glas am Tag. Aber auch das nur, wenn sie gute Laune hatte. Ansonsten trank sie Milch und aß bei uns mit, was ihr so schmeckte.
Wir praktizierten so eine Art Baby Led Weaning. Nur, dass ich halt nicht mehr stillte und Lilli Flaschenmilch bekam. Zur Kinderärztin sagte ich: "Lilli mag keinen Brei. Sie wird es überleben."
Und Lilli lebt ganz gut. Die Ernährungsvorstellungen der Kinderärztin interessieren sie nicht. Sie isst nur, was ihr schmeckt, liebt ihre Milchflaschen und wiegt ein ganz kleines bisschen mehr als der Durchschnitt, wobei sie ganz durchschnittlich gewachsen ist. Mit ihren Maßen ist die Kinderärztin übrigens zufrieden.
Ich bin mit Lilli insgesamt zufrieden. Sie soll essen, was ihr schmeckt. Ich habe keine Lust mehr auf diese ganzen Richtlinien.
Bei Greta habe ich mich noch völlig verrückt machen lassen. Sie war auch sehr wählerisch als Baby. Sie wollte keinen Brei essen. Und ich hab alles versucht. Wollte unbedingt die Kinderärztin glücklich machen und natürlich die Verwandten, die alles besser wissen.
Gesungen habe ich für Greta, damit sie isst, Fliegerlöffel, selbst gekocht, die unterschiedlichsten Gemüsebreie aufgewärmt. Ratgeber gelesen. Das ganze Programm. Greta sollte schließlich gesund ernährt werden und möglichst keine Allergien bekommen. Nachdem ich selbst Allergien habe, dachte ich, ich muss das jetzt besonders gut machen. Also stillen, dann Pastinake, Pastinake-Kartoffel, Pastinake-Kartoffel-Fleisch, nach und nach verschiedene Gemüsesorten, irgendwann dann der Abendbrei und dann der Nachmittagsmantsch. Hat nicht geklappt.
Wir kamen nie über das halbe Glas Gemüse-Fleischbrei mittags hinaus. Abends hat Greta irgendwann ein paar Löffel Brei in ihre Flasche bekommen. Brei vom Löffel essen wollte sie gar nicht. Das halbe Glas mittags kostete mich genug Zeit und Kraft. Und ich fürchte, Greta auch.
Verwandte sahen mir beim Breifüttern zu und sagten immer: "Das kann man ja gar nicht mitansehen. Du machst das nicht richtig. Gib mal den Löffel her, ich mach das."
Und ich gab den Löffel her, hoffend, jemand nähme mir die lästige Geduld fordernde Fütterung ab, um dann nach spätestens fünf Minuten zu hören: "Die isst einfach nicht. Mach bitte du wieder weiter!" Und dann habe ich wieder weitergefüttert, gesungen, gefliegert.....
Es war nervtötend.
Nach Greta habe ich mir geschworen, so etwas nie wieder zu machen.
Auch bei Lilli gucken die Verwandten komisch, wenn sie sehen, welch eigenwillige Essvorstellungen unsere Tochter hat. Wenn Lilli an einem Hühnerbein nagt, sieht sie aus wie Pebbles Feuerstein.
"Gib ihr doch mal Kartoffel!", sagte meine Mutter am Wochenende.
"Mmmmh. Ja", sagte ich.
"Ich koch ihr jetzt mal eine Kartoffel. Du wirst schon sehen", sagte meine Mutter dann.
"Mmmmh. Ja", sagte ich.
Dann gab es endlich die gelobte Kartoffel. Lilli spuckte alles wieder aus. Schüttelte sich und warf die Kartoffelreste in hohem Bogen von ihrem Teller. Ihr Gesicht hatte wieder diesen Ausdruck von:
"Warum legt ihr so etwas auf meinen Teller? Seid ihr verrückt geworden?"
Heute hat Lilli ein bisschen Lachs, ein wenig Rindfleisch und eine halbe Banane gegessen, viele Milchflaschen getrunken, daneben ein paar Krümel von Gretas Schokokuchen, ein Löffelbiskuit ohne Zucker, am Abend Nudeln mit Ei.
Sie ist satt geworden.
Lilli isst ganz selbstständig. Und sie isst gerne.
Ich habe mir die ganze Löffelei erspart. Und ihr auch. Und ich habe keinen Stress mehr mit ihrem Essen. Keinen stimmt nicht, denn Lilli macht beim Essen sehr viel Sauerei, aber insgesamt stresst mich das viel weniger als das blöde Füttern bei Greta.
Ernährungspläne, Kinderärzte?
"Mmmmh. Ja?"
Am liebsten mag Lilli übrigens Ei. Sie bekommt zwar nur das Eiweiß, aber darauf ist sie ganz verrückt. "MMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMHHHHHH!", sagt sie dann und straht übers ganze Gesicht.
Und über Greta sagen sie im Kindergarten immer, sie sei so eine tolle und unkomplizierte Esserin.
Ist sie auch. Seitdem sie nicht mehr Brei löffeln muss und wir keinen Kindergesundernährungsplänen mehr folgen, isst Greta so ziemlich alles.
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