Freitag, 28. März 2014

Von Luftballons, humorlosen Mamas und mangelnder elterlicher Konsequenz


Luftballons sind bunt. Sie sind lustig. Sie sind überall in der Stadt. Immer ist irgendwo ein kleiner Werbestand, an dem jemand steht und Luftballons verteilt. An Kinder. An meine Kinder zum Beispiel. Gott sei Dank bekommt Lilli bisher noch keine Luftballons angeboten. Aber Greta.

Kurz vor der Wahl muss ich meiner dreieinhalbjährigen Tochter erklären, dass der gelbe Luftballon mit den drei blauen Buchstaben darauf ja hübsch aussehen mag, dass ich aber nicht damit in der ganzen Stadt herumlaufen will.
Zunächst sage ich aber einfach nur: "Nein! Wir wollen keinen Luftballon!" zu dem Mann am Wahlwerbestand.
"Warum wollen wir keinen Luftballon?", fragt Greta. "Die sind doch lustig."
"Da steht was drauf, Greta. Das ist der Luftballon von einer Gruppe von Menschen, die die Bestimmer sein wollen in unserer Stadt. Und die wollen, dass Mama und Papa die wählen, damit sie das machen können: bestimmen oder zumindest mitbestimmen", erkläre ich ihr.
"Ich will der Bestimmer sein", sagt Greta.
"In unserer Stadt?", frage ich.
"Ja," sagt Greta, "und bei uns zu Hause."

Wahrscheinlich habe ich keinen Humor. Ich mag keine Luftballons - wie so viele Dinge und Menschen, die lustig sind. Louis de Funes, Bastian Pastewka, Cindy Marzahn. Finde ich nicht lustig. Die Fernsehsendung "Bitte Lächeln" hasse ich. Kennt wahrscheinlich keiner mehr. Ständig fielen irgendwelche Kinder irgendwo runter und man fragte sich, ob sie es überlebt hatten. Aber dann war der lustige Videoclip ja auch schon beendet. "Wer soll da lachen?", fragte ich mich da immer.

Mein Mann hat Humor. Meine Kinder auch. In unserer Wohnung liegen also immer Luftballons herum. Mindestens drei. Aufgeblasen. Lilli findet sie lustig. Greta findet sie lustig. Mein Mann auch. Abgesehen davon, dass Luftballons mich an Kindergeburtstage erinnern und ich auch die nur bedingt lustig finde, machen sie leider auch viel unnötige Arbeit. Mamaarbeit.
Die bunten lustigen Luftballons kommen meistens in einer kleinen Tüte in die Wohnung, die mindestens einmal, meistens aber deutlich öfter auf den Boden fällt. Und wer sammelt die lustigen kleinen Luftballons dann auf? Mama.
An langweiligen Nachmittagen werden sie von meinem Mann für die Kinder aufgepustet. Natürlich platzt plötzlich einer und dann schreit eines unserer Kinder, weil es sich ganz furchtbar erschreckt hat. Und wer tröstet das Kind? Mama.
Schließlich liegen diese Luftballonreste auf dem Boden. Die sehen nicht mehr lustig aus, nicht einmal für Leute mit Humor. Und Lilli liebt es, sich die Dinger in den Mund zu stecken. Und wer holt die da ganz schnell wieder heraus? Mama.
 Und wenn der Luftballon nicht platzt? Dann geht die Luft raus. Langsam, ganz langsam. Und nach ein paar Wochen sieht das Ding nur noch traurig aus. Und dann holt Mama heimlich eine Schere und macht ihn kaputt den alten Luftballon. Schmeißt ihn weg. Tut sie es schon, bevor der Luftballon alt und welk aussieht, hat sie natürlich ein schlechtes Gewissen die Mama. Ist ja auch gemein. Wo Luftballons doch so lustig sind.
 
Neulich wollte ein Mann meiner Tochter einen roten Luftballon schenken. Es war schon fast dunkel. Wir waren allein unterwegs und der Mann machte mir Angst. Ich zog Greta also weiter und sagte, sie dürfe den Luftballon nicht annehmen.
"Da stand aber gar nichts drauf", sagt Greta. "Der wollte gar nicht der Bestimmer sein."
"Ja", sage ich leise, "aber wir nehmen nichts von Menschen an, die wir nicht kennen."
Der Mann, den wir nicht kannten, verlor in der Zwischenzeit völlig die Fassung. Nachdem ich meine Tochter weitergezogen hatte, fing er an wild mit dem Luftballon in der Luft herumzufuchteln und ganz laut zu schreien. Was er geschrien hat, weiß ich nicht. Es war laut und verrückt und ziemlich bedrohlich. 

Einen Tag später ging ich mit Greta wieder durch die Fußgängerzone. Eine Frau kam nach Ladenschluss aus der Yves Saint Laurent Filiale bei uns um die Ecke. Sie drückte meiner Tochter einen grünen Luftballon in der Hand. "Sind noch übrig von der Dekoration", sagt sie mir. Die Frau hatte ein  sympathisches Lächeln und ging in die Knie, um meiner Tochter den Luftballon zu geben.
"Was sagt man da?", flüsterte ich meiner Tochter zu.
"Danke!", sagte sie und zog fröhlich mit dem Luftballon davon.
Und als die Frau schon wieder im Laden war, fragt sie: "Warum durfte ich den Luftballon haben, Mama?".
"Weil du Danke gesagt hast", antwortete ich, während ich über das Abendessen nachdachte.
 "Aber da stand was drauf", sagte Greta.
"Ja", antwortete ich, "aber die wollen nicht der Bestimmer sein."
"Ich habe nicht gebettelt", sagte Greta.
 "Nein", sagte ich, immer noch über das Abendessen nachdenkend," das hast du sehr gut gemacht."
"Aber wir kannten die Frau nicht", sagte Greta.
 Ich hasse Luftballons.