Donnerstag, 20. März 2014

Schwestern?!


Ich habe zwei Brüder. Jünger. Habe mir immer eine Schwester gewünscht. Eine, mit der man Barbie spielen kann. Eine, mit der man über alles reden kann. Eine, mit der man grundlos lachen kann. Eine richtige Schwester eben. Bettina sollte sie heißen.
Mein jüngster Bruder war gerade geboren, als meine Mutter aus dem Krankenhaus anrief. Sie erzählte mir am Telefon, sie habe eine große Überraschung für mich. "Eine Puppe!", dachte ich. Es war keine Puppe. Auch keine Bettina. Na ja, als Jan dann zu Hause war, war es wie mit den meisten Dingen, die ich in meinem Leben bekommen habe. Einmal ausgepackt, wird es dann doch behalten. Und es war schön mit Jan. Und Puppen spielen konnte man mit ihm auch. Wenigstens eine Zeit lang.
Als ich zum zweiten Mal schwanger war, habe ich mir ein Mädchen gewünscht. Das soll man nicht. Sich ein bestimmtes Geschlecht für das ungeborene Baby wünschen... Und ja, Hauptsache gesund und so. Greta sollte aber eine Schwester haben. Und ich wurde nicht enttäuscht. Endlich konnte ich teure rosa Strampler kaufen. Für Greta hatte ich fast alles in Unisex Farben gekauft, damit ich es dem möglichen zweiten Baby (einen Jungen hätten wir schließlich auch behalten) dann auch anziehen konnte. Wer mal bei H&M in der Kinderabteilung eine Unisex Jacke gesucht hat, weiß, dass es ganz schön schwierig ist, Kleidung zu bekommen, die man Mädchen und Jungen anziehen kann.
Jetzt also rosa. Und durchaus auch mal Petit Bateau. Fürs zweite Kind braucht man ja nicht viel, da darfs dann auch mal etwas teurere Vorfreude sein.
Und dann war sie da. Unsere Lilli. Und ziemlich groß war sie. So groß, dass ihr die viel zu teuren französischen Strampler vielleicht zwei Wochen passten.
Und Greta? War durch den Wind. Sie hatte ja auch gerade ein Baby bekommen. Paula, 33 cm, von der Oma, während ich im Krankenhaus war, für Greta gekauft. Eine Woche lang trug Greta ihre neue Puppe in einer eigenen Puppenmaxicosi durch die Stadt. Danach durfte Paula allerdings nicht mal mehr bei ihr im Zimmer schlafen. "Die ist blöd, die Paula!", rief sie. "Die hab ich nicht lieb. Die darf nicht bei mir schlafen". Und dann flog die kleine Puppe in hohem Bogen aus der Tür. Der Oma habe ich das nicht erzählt. Dafür Carola, meiner Hebamme, Mutter von drei Kindern und einfach wunderbar. Carola rief ich auch an, als Greta eines Tages spät abends auf ihre kleine Schwester stieg. Mit voller Absicht. Mit dem Gewicht einer durchschnittlich gewachsenen Dreijährigen. Mitten auf den Bauch. Nachdem ich Greta von ihrer zwei Wochen alten Schwester heruntergeholt und mit ihr ordentlich geschimpft hatte, brach ich in Tränen aus. So war das also. So ging meine große Tochter mit ihrer kleinen Schwester um. Ob Lilli wohl innere Blutungen hatte? Carola sagte nur: "Ach, die halten schon was aus."
Sie hat es ausgehalten. Auch die Bisse in die kleinen Finger, die kurz zuvor noch von Greta liebkost worden waren und auch die Kniffe und Hiebe, die noch folgen sollten.
"Meine Lilli trinkt bei der Mama am Busen", erzählte Greta in der Kinderkrippe. "Meine Lillli hat noch gar keine Zähne. Mit Zähnen darf man nicht an Mamas Busen trinken", erklärte sie der Erzieherin. Wenn ich Lilli stillen wollte, rutschte Greta ganz eng an mich ran, drückte ein Buch auf ihre kleine Schwester und rief: "Kannst du mir vorlesen! Bitte! Mama!". Oder sie stellte sich auf die Sofalehne und versuchte, auf uns draufzuspringen.
Irgendwann haben wir dann Aufkleber eingeführt. Ponys, Hunde und irgendwas mit Glitzer. "Du bekommst einen Aufkleber, Greta, wenn du den ganzen Tag lieb zur Lilli bist." Das half.
Fast jeden Abend klebten wir nun mit feierlichem Tamtam einen Aufkleber auf ein Stück Papier, das in Gretas Kinderzimmer hing. Und irgendwann brauchte es die Aufkleber nicht mehr. "Krieg ich heute Abend einen Aufkleber?", fragt Greta manchmal. "Ich war heute immer lieb zur Lilli." "Ja," sagen wir dann und vergessen es oft.
Morgens habe ich ein Ritual eingeführt. Greta und Lilli trinken zusammen ihre Flasche, während sie in Lillis Gitterbett liegen. Greta trinkt ganz schrecklich ungesunden Kakao aus der ganz schrecklich ungesunden Babyflasche und Lilli trinkt ihre Säuglingsmilch (auch furchtbar ungesund im Vergleich zu Muttermilch!). Eingeführt habe ich das Ritual aus purem Egoismus (aus demselben habe ich Lilli mit sieben Monaten abgestillt). Greta redet morgens gerne viel. Vor allem stellt sie viele schwierige Fragen. Und so sehr ich sie liebe, morgens ertrage ich mein Kind einfach nicht. Nicht vor einer Tasse Kaffee. Allein. In der Küche. Ohne Kinder.
Seit Greta und Lilli morgens zusammen Flasche trinken, ist das möglich.
Greta will, dass alles gleich ist bei ihr und Lilli. "Wir wollen den gleichen Sauger, Mama. Lilli und ich", sagt sie. "Den gleichen Sauger?", frage ich. "Sie meint, die gleiche Farbe bei dem Saugerring", ruft mein Mann aus dem Arbeitszimmer. "Aha," sage ich. Was tut man nicht alles für einen ungestörten Morgenkaffee. Aber es geht auch gleich weiter. "Wir wollen den gleichen Pullover anziehen", ruft Greta kurze Zeit später. Genau genommen einen Zeitungsartikel später. Den will nämlich ich. Morgens, wenn irgendwie möglich. Nach meinem unter widrigsten Umständen gelesenen Zeitungsartikel ist es meistens jedoch schon ein bisschen spät. Also schnell. Anziehen. Warum hat H&M eigentlich nicht die gleichen Klamotten für Mädchen zwischen 0 und 6 Jahren? Ein paar wenigstens. Pullover zum Beispiel! Gibt`s nicht. Immerhin begnügt sich Greta meistens mit der gleichen Farbe. Und da ist sie sogar relativ großzügig. Rot ist irgendwie ja auch rosa. Vielleicht ist sie farbenblind wie ihre Mama (Vgl. Spielplatz: Von schlecht gekleideten Kindern und kämpfenden Müttern).
Seit einer Woche teilen sich die beiden Mädchen (Lilli ist mittlerweile 10 Monate und Greta dreieinhalb Jahre) ein Zimmer. Nachdem wir Lillis Gitterbett in Gretas Zimmer getragen hatten, traute ich mich zunächst nicht so richtig, Lilli auch hineinzulegen. Irgendwie befürchtete ich, dass die Kinder sich gegenseitig stören würden. Greta schreit mittags am Wochenende, wenn sie schlafen soll, immer gerne ein bisschen herum, bevor sie einschläft. Je müder sie ist, desto mehr ist sie der Meinung, dass man mittags auf keinen Fall schlafen sollte. Kaum hatte ich Lilli mit ins Elternschlafzimmer genommen, schon hörte ich schlimmes Gebrüll: "ICH WILL MEINE LILLI! MEINE LILLI! MEINE LILLI!" "Was ist denn los?", fragte ich, Lilli auf dem Arm ins Kinderzimmer tragend. Greta deutete auf das leere Gitterbett neben sich. "Ich will, dass da ein Mensch drin schläft! Ein kleiner Mensch! So klein wie Lilli! Ich will, dass da ein Mensch ist. Und nicht  nur ein Legomännchen."
Und wirklich in Lillis Bett lag ein ganz kleines Legomännchen.
Seit wir das Legomännchen durch Lilli ersetzt haben, schläft Greta besser. Jedenfalls haben wir viel seltener nächtlichen Besuch in unserem Bett.
Insgesamt sind Greta und Lilli mittlerweile sehr glücklich miteinander. Meistens. Vorgestern hörte ich wieder einmal schlimmes Gebrüll aus dem Kinderzimmer. Lilli schrie. Laut und entrüstet. "Was ist los?", fragte ich Greta. "Wir haben Verstecken gespielt", antwortete meine Große. "Und warum weint Lilli dann?", fragte ich. "Ich habe ihr eine Schüssel über den Kopf gezogen, damit man sie nicht sehen kann", antwortete Greta.
Manchmal aber umarmt Greta Lilli auch ganz fest. "Meine Lilli", sagt sie dann. Und: "Ich will immer bei meiner Lilli sein." Und manchmal lachen die beiden plötzlich zusammen. Ganz laut. Eine Dreijährige und ein Baby. Keiner weiß, warum. Nur die beiden. Richtige Schwestern eben.


3 Kommentare:

  1. Hallo und Willkommen in der Bloggerwelt... damit der Einstieg umso leichter fällt, habe ich Dich gleich mal für den Liebster Award nominiert: http://kullerkind.de/liebster-award-neue-blogs-entdecken/

    Würde mich freuen, wenn Du mitmachst! :-*

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Katharina,

    ganz vielen Dank :) habe dich gleich verlinkt. Bin auch dabei eine eigene Seite mit Links zu entwerfen....
    Liebe Grüße,
    Ane

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Ane,

    Ich finde deinen Blog toll! Deswegen habe ich dich für den "Liebster Award" nominiert. Schau einfach auf meine Seite. Da findest du die Details ;).

    www.inahwos.wordpress.com

    Würde mich freuen wenn du mitmachst.
    Liebe Grüße
    Michaela

    AntwortenLöschen